Nach ca. dreieinhalb Monaten entspanntem Reisen für Scudo und seinen technischen Begleiter sind
wir endlich im Kaukasus angekommen. Ein Gebiet, das für Mensch und Maschine zur
Herausforderung werden sollte.
17.000 km hatten wir bis dato bereits hinter uns gelegt und alles mitgenommen, was mitzunehmen war. Auch straßentechnisch. So durchquerten wir deutsche Bauernfelder, wühlten uns durch sandige Kiefernwälder an der polnischen Ostseeküste, glitten über gute schwedische Fernstraßen, quälten uns norwegische Fjordstraßen hinauf - und wieder hinab -, polterten durch Lappland auf kilometerlangen Schotterstraßen, husteten uns über staubige Straßen im Baltikum und rumpelten durch endlose Schlaglochpisten in Russland.
Das Wohlwollen
war bis dahin immer auf unserer Seite. All die Herausforderungen meisterten wir
ohne technische Zwischenfälle. Die einzigen Aufgaben, die für mich anstanden,
waren lediglich ganz normale Wartungsarbeiten wie Birnen wechseln, hier und da
mal eine Schraube nachziehen, das Heckgestell verstärken, Öl- und
Filterwechsel, den Keilrippenriemen nachspannen und die Reifen für einen
gleichbleibenden Verschleiß wechseln. Das alles sind bekannte Routinearbeiten,
also bis dahin kein Problem. Doch dann kam der Kaukasus...
... es geschah auf der Fernstraße M4 zwischen Krasnodar und Dzhubga am Schwarzen Meer. Wir waren hoffnungslos überladen, da wir schon seit mehreren Tagen mit zwei russischen Anhaltern und deren Gepäck unterwegs waren. Die Außentemperatur lag bei 36°C im Schatten und die Sonne knallte direkt aus dem Zenit auf Scudo. Wir fuhren eine zwölfprozentige Steigung mit Vollgas hinauf, um den Schwung des letzten Gefälles zu nutzen. Die Kühlwassertemperatur lag exakt bei dem zwischen Scudo und mir vereinbarten Maximum. Von hinten drückte ein russischer LKW, der durch seine Masse mehr Schwung in die Steigung bringen konnte. Plötzlich gab mir Scudo keine Lenkunterstützung durch die Servopumpe mehr. Ich schaltete sofort alle elektrischen Verbraucher aus und mein Verdacht bestätigte sich in der nächsten Sekunde, als Scudo mir rot leuchtend die Batteriewarnleuchte entgegen warf: Der Keilrippenriemen hatte seinen Geist aufgegeben. Noch vor Erreichen des Gipfels fuhr ich an den zum Glück vorhandenen Seitenstreifen und ließ den LKW vorbeiziehen.
Entschlossen
und mit vereinten Kräften traten wir dem Problem entgegen. Wir sicherten Scudo
gegen mögliches Wegrollen an der Steigung, ich bockte ihn auf und entfernte die
Reste des alten Riemens. Währenddessen bauten Alicia, Slava und Ivan das
komplette Rückbankinventar aus, um den neuen Riemen hervorzuholen.
Der Riemen
war schnell aufgespannt und nach ca. 1,5 Stunden konnte es weitergehen. Beim Entfernen der alten Riemenreste war mir aufgefallen, dass dieser während
des Herumschlagens im Motorraum eine Achsmanschette beschädigt hatte. Aber dies
war nicht der einzige Folgeschaden, den der Riemenriss mit sich gebracht haben
sollte. Nach kurzer Zeit signalisierte mir Scudo, dass etwas mit seiner
Einspritzung nicht in Ordnung sei, indem er mir bei niedrigen Drehzahlen das
entsprechende Warnsignal gab. Aber erst einmal zum Schwarzen Meer. Ankommen.
Nach neu gesammelter Energie durch Schwimmen im Schwarzen Meer und abendlichem russischen Riesenlagefeuer überprüfte ich am nächsten Morgen die Riemenspannung sowie den Zahnriemen auf eventuelle Beschädigungen. Alles war okay, also fuhren wir (ab jetzt wieder ohne Mitfahrer) mit leuchtender Warnleuchte 800 km in Richtung Georgien, da unsere russischen Visa am nächsten Tag ausliefen.
Angekommen in Georgien mussten Alicia und ich zunächst einmal die umfangreiche Fahrerei durch Russland mit einer Entspannung an den einladenden Flüssen und Seen sacken lassen. Da die Einreise in Georgien für deutsche Touristen visumfrei ist, reist es sich hier wesentlich entspannter. Nach ein paar Tagen Seele-baumeln-lassen entschlossen wir uns, mit Scudo den Abano Pass, eine der gefährlichsten Straßen der Welt, nach Omalo zu bestreiten. Für derartige Herausforderungen hatte ich an Scudo im Vorfeld unserer Reise diverse Optimierungen vorgenommen. Die Stahlbleche am Unterboden, die Fahrwerksoptimierung für mehr Bodenfreiheit, die All-Terrain-Bereifung und die Zusatzscheinwerfer (Arbeitsleuchten) erwiesen sich hierbei als unverzichtbar. Trotz dieser Optimierungen ist und bleibt Scudo ein frontbetriebenes Straßenfahrzeug... Egal, die Abenteuerlust hatte uns mal wieder gepackt. ;-) Also fuhren wir mit Scudo nach Omalo! Und siehe da, nach einigen Stunden, der Hilfe von Pickupzugkraft und einer abgeschauten Kupplung-Gas-Technik eines erfahrenen Offroadfahrers mit Cognacfahne haben wir vor Einbruch der Dunkelheit ca. 34 km der insgesamt 60 km langen Auffahrt bis auf 2.500 m Höhe über NN, also dem Meeresspiegel, hinter uns gebracht.
Diese Auffahrt war eine Herausforderung für Mensch und Material. Mir stand durchgehend der Schweiß auf der Stirn während der Fahrt zwischen hunderten Metern tiefen Abgrunds auf der einen und der jederzeit brechenden Felswand auf der anderen Seite. Auch Scudo war heiß wie nie und gab mir das Zeichen, dass er - wie auch ich - transpirierte, indem er jedes Mal bei extremen Steigungen die Warnleuchte für den Kühlflüssigkeitsstand aufleuchten ließ. Wir beendeten diesen Tag schließlich auf 2.500 Höhenmetern in einer Spitzkehre mit Feuer, Wurst und georgischem Bier.
Als Scudo am nächsten Morgen immer noch nach verbrannter Kupplung roch, und wir die nächste Steigung trotz mehrmaligem Anfahren nicht überwinden konnten, entschlossen wir uns wieder umzukehren. Wir drei können allerdings mit Stolz sagen, dass wir ohne Offroaderfahrung mit einem 90 PS schwachen, frontbetriebenen, hoffnungslos überladenen Straßenfahrzeug mehr als die Hälfte der Auffahrt nach Omalo geschafft haben.
Nun war es aber Zeit für eine Werkstatt, nachdem wir uns ein paar Tage Ruhe an einem schönen Fluss gegönnt hatten. Weiter ging es für uns von Telavi in Richtung Tiflis, wo Scudos Motorraum auf dem Gipfel einer Passstraße zu dampfen begann. Er verlor plötzlich jede Menge Kühlflüssigkeit. Mit regelmäßigem Auffüllen der Flüssigkeit traten wir dann jedoch wieder den Rückweg nach Telavi an.
Am nächsten Morgen suchten wir eine Werkstatt auf, allerdings stellte sich die Kommunikation als sehr schwierig heraus, sodass wir am Ende nur eine Garage zum Selberschrauben mieteten. Hier konnte ich mich endlich um sämtliche Schäden kümmern, dachte ich. Aber nachdem ich Scudo aufbockte, alle Bleche und Anbauteile abbaute und mich auf die Suche nach der Leckage im Kühlsystem machte, wurde ich von einem angetrunkenen Georgier - um 12 Uhr mittags – dazu eingeladen, mit ihm auf Georgien und Deutschland anzustoßen. Prost! Nachdem ich leicht einen im Schuh hatte und zu unserer Garage zurückkehrte, saßen dort vier bis sechs Schraubernachbarn um und im Scudo, aßen getrockneten Fisch, tranken Bier, rauchten Gras und unterhielten sich mit Alicia. Einmal mehr stellten wir fest, dass die Georgier ein sehr gastfreundliches und geselliges Volk sind, jedoch brauchten wir in diesem Moment alles andere als eine biertrinkende Partygesellschaft. Ein wenig entnervt legte ich mich wieder unter Scudo und signalisierte damit, dass ich weiterarbeiten möchte. Auch Alicia wollte sich nicht zum zehnten Mal die immer emotionaler werdenden Trinker-Geschichten anhören müssen, die sie auf Georgisch sowieso nicht verstand, und ging in die Stadt. Das erschien zwar ein wenig unhöflich, aber wir hatten viel zu tun und ich wollte nicht komplett betrunken an Scudo schrauben.
Das Leck im Kühlsystem war schnell gefunden. Es war ein Schlauch, der (unmittelbar am Keilrippenriemen liegend) durch den Riss des Riemens in Mitleidenschaft gezogen wurde und letztendlich durch kochendes Kühlwasser und Druck im System geplatzt war. Das Leck war mit der Hilfe eines benachbarten, nüchternen Mechanikers, einem Stück alter Öldruckleitung und zwei Schlauchschellen schnell behoben. Als nächstes ersetzte ich die Manschette an der Antriebswelle und nietete eine Batteriehalterung der Zweitbatterie an, da die alten Nieten durch die Vibration abgeschert waren. Zu guter Letzt kontrollierte ich den Zustand des Zahnriemens, die Position der Nockenwelle, Dieselpumpe und Kurbelwelle und beseitigt noch diverse Keilrippenriemenreste, die unter die Zahnriemenabdeckung gelangt waren. Der Zustand des Zahnriemens, seine Spannung, seine Position und die hiermit zusammenhängende Motorsteuerung waren in Ordnung. Allerdings zeigte die Warnleuchte immer noch einen Fehler bei niedrigen Drehzahlen an. Der benachbarte Mechaniker mit Dieselerfahrung konnte mir auch nicht weiterhelfen. Der Versuch, den Dieselfilter zu erneuern, erbrachte auch keinen Erfolg und weder Scudo verfügt über einen OBD2-Anschluss noch die Werkstätten in Telavi über ein entsprechendes Testgerät. Also mussten wir wohl mit diesem Fehler leben.
So ging es dann weiter ins nächste Abenteuer im wilden Georgien... Scudo lief super und die Warnleuchte wurde wegignoriert.Ob an diesem Tag überhaupt noch ein Fahrzeug vorbeikommen würde, war unklar und Handynetz gab es dort sowieso nicht. Also machte ich mich direkt an die Reparaturarbeiten, um keine Zeit zu verlieren. Nachdem ich Scudo gesichert, aufgebockt, Rad und Schutzbleche demontiert hatte, kamen gleichzeitig und wie auf Zuruf zwei Fahrzeuge von hinten und eines von vorne... war ja klar! Also montierte ich das Rad wieder, damit das von vorne kommende Fahrzeug uns an die Seite ziehen konnte und die Fahrzeuge passieren können. Die Reparatur konnte ich nach ca. 2 1/2 Stunden erfolgreich abschließen. Ich unternahm noch eine Katzenwäsche in der nächsten Pfütze, blieb ja nichts anderes übrig, und wir fuhren in der von den Zusatzscheinwerfern erhellten Dunkelheit zurück ins Tal.
Ob das treibende Herz von Scudo die Unterbrechung der Schmierung ohne Folgen überstanden hat, können nur die nächsten Betriebsstunden des Aggregats zeigen.Das Ziel hieß an diesem Tag: Mestia. Die Straße sollte Erfahrungsberichten anderer Reisender zufolge im guten Zustand sein. Wir füllten in der letzten großen Stadt, in Sugdidi, unsere Vorräte auf und fuhren los.
Und wieder einer dieser Schreckmomente. Plötzlich nach ca. 30 km in einem kleinen Ort namens Lia ein Rucken im Motor... ich trat sofort die Kupplung, stoppte den Motor und rollte an den Straßenrand. Ich befürchtete das Schlimmste. Meine Sorge wurde mir schließlich bei der Kontrolle bestätigt: Der Zahnriemen war gerissen. Das Rucken im Motor war anscheinend der Zusammenstoß von Ventil und Kolben.
In Deutschland wäre die Reise nun zu Ende gewesen, da keine Werkstatt diesen alten Motor mehr instand setzen würde. Ein wirtschaftlicher Totalschaden! Aber... wir sind ja nicht in Deutschland. Nach wenigen Minuten hatte ich von hilfsbereiten Einheimischen, die sich unmittelbar nach unserer Panne zu einer kleinen Menschentraube um Scudo versammelten, ein Telefon am Ohr, an dem ein deutschsprechender Georgier namens Dima uns Hilfe in seiner Werkstatt anbot. Welch ein Glück im Unglück! Da es bereits dunkel war, bestellte Dima einen Abschlepper für den nächsten Morgen. Pünktlich wie die Maurer stand am nächsten Morgen der Abschlepper vor Scudo, lud ihn auf und brachte uns in die Werkstatt nach Sugdidi, die für die nächsten Wochen unser Zuhause werden sollte.Zum Tagesende und mit zwischenzeitigem Weingenuss war der Zylinderkopf ausgebaut und auf dem Weg nach Tiflis in eine Fachwerkstatt für Motorinstandsetzung. Schon am nächsten Morgen kam die Information des Motorinstandsetzers, dass zwei Ventile verbogen waren und festsaßen. Der Zylinderkopf musste überarbeitet werden. Inzwischen hatten Lasha, Dima und ich eine Ersatzteilliste erstellt. Das Problem war nur, dass es in Georgien keine Ersatzteile für Scudo gibt wie wir feststellten.
Das Fiat-Zentrum in Tiflis könnte die Teile aus der Türkei beziehen, allerdings in zweifelhafter Qualität, zu hohen Kosten und mit langen Lieferzeiten. Und der ADAC gab mir die Rückmeldung, dass originale Ersatzteile für unseren Scudo in Deutschland nicht mehr lieferbar seien. Also recherchierte ich im Internet nach einem deutschen Lieferanten, der alle benötigten Teile (in ungewisser Qualität) vorrätig hat und zudem noch bis nach Georgien liefert. Viel Auswahl gab es nicht in Sachen Ersatzteil-Lieferung nach Georgien, also bestellte ich die Teile bei dem fragwürdigen Lieferanten ATP Auto-Teile-Pöllath.
Ab jetzt
hieß es: abwarten und Tee trinken!
Erst elf
Tage nach Zahlungseingang und zusätzlicher telefonischer Erinnerung verschickte
das sogenannte „Logistikunternehmen“ dann endlich die Ware! 13 Tage dauerte der
Versand per DHL nach Georgien. Zusätzliche sieben Tage nahm die Bearbeitung
beim georgischen Zoll in Anspruch, da das fragwürdige Logistikunternehmen die
Ware in einer nicht ausreichend stabilen Verpackung für den Versand per
Flugzeug versendete. Als die Pakete schließlich zur Abholung in der Poststation
von Sugdidi bereit standen, fand ich eines davon in einem mehr als schlechten
Zustand vor. Der georgische Zoll hatte es laut Protokoll in Einzelteilen
erhalten. Bei Prüfung nach Vollständigkeit stellte ich fest, dass Teile fehlten
und teilweise beschädigt waren. Ich nahm das Paket trotzdem entgegen, da die
wichtigen Teile (Nockenwelle, Ventile und Zylinderkopfdichtung) vorhanden und
in Ordnung schienen. Die benötigten Teile für die Zylinderkopfreparatur
sendeten wir direkt weiter zum Motorinstandsetzer. Nach zwei Tagen bekam ich
die Rückmeldung, dass die Reparatur doch größer sei als ursprünglich gedacht.
Anscheinend hatte der Zylinderkopf schon seit sehr langer Zeit ein größeres
Problem. Welches genau konnte mir niemand übersetzen. Schließlich dauerte es
weitere zehn Tage, bis der Zylinderkopf generalüberholt und einbaufertig vor
uns stand. Sofort machten Lasha und ich uns an die Arbeit. Fast alles lief
reibungslos. Der bekannte Satz „Der Einbau folgt in umgekehrter Reihenfolge“ traf voll
und ganz zu. Lasha setzte gekonnt alle Teile wieder zusammen und erinnerte sich
auch nach sechs Wochen an die korrekten Schlauch- und Steckverbindungen. Beim
ersten Startversuch erwachte Scudo nach kurzem Orgeln wieder zum Leben. Er
zeigte seine Dankbarkeit, indem er die komplette Werkstatt und alle Anwesenden
mit einer dicken Rußschicht bedeckte.
Die erste Probefahrt war überraschend gut, Scudo verfügte über wesentlich mehr Leistung, einen ruhigen Motorlauf und keiner unschönen qualmenden Verbrennung mehr. Die Überholung des Zylinderkopfes war tatsächlich schon seit geraumer Zeit überfällig gewesen und wir können von Glück sagen, dass das Schicksal diese Überholung in Georgien, ausgerechnet in Sugdidi, in Dimas Werkstatt für uns vorgesehen hatte.
Ich habe die Hoffnung, dass für den Riss des Zahnriemens nicht - wie ursprünglich gedacht - die Unterbrechung der Schmierung verantwortlich ist, sondern das vom Motorinstandsetzer erwähnte „größere Problem“, wodurch ich mir weniger Sorgen um weitere Schäden durch einen Schmierfehler machen muss.
Nun kann es weitergehen und wir hoffen, dass die nächste Panne lange auf sich warten lässt und, sofern sie doch eintreffen sollte, weitere schöne Erfahrungen und tolle Begegnungen mit sich bringen wird wie in Sugdidi.
Im Großen und Ganzen können wir, trotz langem und nervenaufreibendem Warten, nur Positives aus dieser großen Panne ziehen: Wir haben Land, Leute und das Leben auf eine intensivere Weise kennengelernt, als wenn wir nur durchgereist wären; wir haben Freunde und Bekanntschaften gewonnen; Scudo läuft besser, als ich das je für möglich gehalten hätte und wir haben entschieden, unsere Reise nicht mehr mit so viel langfristiger Planung einzuschränken, da es sowieso anders kommt, als man denkt... und das ist es, was das Reisen ausmacht!